Wort
Beobachtung {Substantiv, feminin}
Bedeutung
das Beobachten; das Beobachtet werden, Feststellung, Ergebnis des Beobachtens, (gehoben) Einhaltung, Beachtung
Die wissenschaftliche Beobachtung ist, wie der Fragebogen und das Interview, eine Technik der Datenerhebung. Ziel ist es, das Verhalten von Menschen, ihren Alltag und Umfeld zu beschreiben und Daten darüber zu sammeln. Dabei ist die Beobachtung sehr flexibel und wird oftmals mit anderen Datenerhebungstechniken kombiniert. Der Anwendungsbereich von Beobachtungen ist sehr breit und reicht von soziologischen Stadtvierteluntersuchungen (Beispiel: Street Corner Society von William Whyte), Beobachtungen von Abläufen in Krankenhäusern bis hin zu der Begleitung eines Bundestagsabgeordneten über einen längeren Zeitraum. Die wissenschaftliche Beobachtung ist von Alltagsbeobachtungen oder Sozialreportagen zu unterschieden, da erstgenannte geplant ist, nach wissenschaftlichen Kriterien vorgeht und eine Forschungsfrage beantwortet. Für die Beobachtung ist ein Feldzugang sowie das Vertrauen der zu untersuchenden Personen von großer Bedeutung. Während Interviews und andere Datenerhebungstechniken Informationen über Verhalten oder Meinungen sammeln, bietet die Beobachtung die Möglichkeit, Verhalten tatsächlich zu beobachten. Ein weiterer Vorteil ist die methodische Flexibilität und Möglichkeit in die Tiefe zu gehen, wobei sich die Beobachtung meist auf wenige Fälle beschränkt.
Beispiel: Wir wollen wissen, wie die Verwaltung Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern bearbeitet. Um das tatsächliche Verhalten zu erfassen, verschaffen wir uns Feldzugang in einer städtischen Behörde, die dafür zuständig ist, Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Die Arbeit der zuständigen Mitarbeitenden wird über einen längeren Zeitraum beobachtet.
Es existiert keine idealtypische Vorgehensweise bei der Beobachtung, weswegen die Art und Weise einzelner Untersuchungen stark variieren können. So kann diese Datenerhebungstechnik qualitativ und/oder quantitativer Natur sein. Oftmals werden qualitative und quantitative Aspekte erhoben. Beobachtungen unterscheiden sich zudem hinsichtlich ihrer Strukturierung. Durch die Entwicklung eines Beobachtungsleitfadens, der festlegt, welche Aspekte beobachtet werden sollen, kann eine höhere Objektivität und Vergleichbarkeit erreicht werden. Im Gegensatz dazu steht die nicht-strukturierte Beobachtung, bei welcher die Forscherin oder der Forscher ohne vorgegebenes Schema beobachtet und willkürlich auswählt, was beobachtet wird. Der Grad der Strukturierung hängt von der Forschungsfrage und dem Zeitpunkt der Beobachtung ab. Zu Beginn der Feldstudie und/oder falls wenig Vorwissen über das Untersuchungsfeld vorliegt, sind unstrukturierte Beobachtungen sinnvoll, während im späteren Verlauf der Untersuchung strukturierte Leitfäden meist besser geeignet sind. Die Beobachtungen können in Form von detaillierten Protokollen oder einfachen Feldnotizen verschriftlicht werden.
Beispiel: Zu Beginn der Beobachtung geht die Beobachterin bzw. der Beobachter ohne Beobachtungsleitfaden ins Feld, um einen ersten Einblick und Überblick in der Behörde zu erhalten und notiert alles, was relevant erscheint (nicht-strukturierte Beobachtung). In dieser Phase stellt die Forscherin bzw. der Forscher fest, dass eine Sachbearbeiterin bzw. ein Sachbearbeiter alle Anfrage entgegennimmt und dann an ihre Kolleginnen bzw. seine Kollegen zur Bearbeitung weitergibt. Um dieses Vorgehen näher zu untersuchen, erstellt die Beobachterin bzw. der Beobachter einen Beobachtungsleitfaden, der u. a. abfragt, welche Arten von Anfragen vorliegen (z. B. Beschwerden oder Vorschläge) und welche angestellte Person welche Bürgeranfragen zugewiesen bekommt (strukturierte Beobachtung). Weiterhin könnte die Forscherin bzw. der Forscher beobachten, wie lange sich die Angestellten mit den Anfragen beschäftigen (quantitativ) und wie sie versuchen, von Bürgern angemahnte Probleme zu lösen (qualitativ).
Wissenschaftliche Beobachtungen können in verschiedene Typen unterteilt werden, abhängig davon, ob sie verdeckt oder offen sind, im Feld oder im Labor stattfinden, strukturiert oder unstrukturiert erfolgen, teilnehmend oder nicht-teilnehmend geschehen. Für die Evaluationsforschung ist insbesondere die Differenzierung zwischen teilnehmender und nicht-teilnehmender Beobachtung relevant. Bei der teilnehmenden Beobachtung ist die Forscherin bzw. der Forscher ein aktiver Teil der zu untersuchenden Lebenswelt. Die beobachtende Person agiert mit dem Umfeld, während sie oder er das soziale Geschehen beobachtet. Ziel ist es, durch die Teilnahme eine noch stärkere Innenperspektive auf das Untersuchungsfeld zu erlangen. Im Gegensatz dazu steht die nicht-teilnehmende Beobachtung, bei der nur beobachtet und nicht aktiv gehandelt wird. Diese erlaubt der forschenden Person, sich voll und ganz auf das Beobachten zu konzentrieren.
Quellen:
Diekmann, Andreas (2008): Empirische Sozialforschung. Grundlagen Methoden Anwendungen (19. Auflage). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Flick, Uwe (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Friedrichs, Jürgen; Lüdtke, Hartmut (1977): Teilnehmende Beobachtung. Einführung in die sozialwissenschaftliche Feldforschung (3. Auflage). Weinheim, Basel: Beltz Verlag.
Lüders, Christian (2007): Beobachten im Feld und Ethnographie. In: Flick, Uwe; von Kardorff, Ernst; Steinke, Ines (Hrsg.). Qualitative Forschung. Ein Handbuch (5. Auflage). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, S. 384 – 401.
Duden Online; www.duden.de, abgerufen am 15.05.2018 (Begriffsdefinition).
Autorin: Lea Haiges